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Samstag, 2. August 2014

Die Irrwurz

Zwischen dem Gnadenwalder Plateau und dem Umlberg ist ein Tal eingeschnitten, das nach Terfens führt. Dort, wo sich die Straße von Terfens kommend in zwei Äste teilt, zweigt zudem der alte Weg (sog. "Egge") auf das Gnadenwalder Plateau nach Westen ab. 
Between the Gnadenwald Plateau and the Umlberg lies a valley which leads to to the village of Terfens. Here, where the road from Terfens forks into two, the older road (called the “Egge”) continues westwardly over the plateau and down.

Ca. 100m entfernt von der Straßenkreuzung findet man dort die Kapelle "Maria Larch", die nahe einer mittlerweile verschwundenen Lärche (nicht ganz, denn in der „Erscheinungskapelle“, weiter westlich fand sich noch einige Zeit ein Stück Holz davon), an der ein Marienbild montiert war, errichtet wurde. 
About 100 metres from this intersection stands the “Maria of the Larch” chapel, erected near a now-vanished larch tree (not completely; a branch from it had been displayed for a time in the Epiphany chapel a bit further west), on which an image of the Virgin Mary had once been hung.

Es gibt nicht allein die Kapelle dort, sondern auch ein Brunnenhaus mit gutem Wasser, das in sehr starker Schüttung hervorkommt. Das ist im Raum Gnadenwald eher selten – es gibt dort kaum Erbhöfe, da mangels Wasser früher selten ein Hof länger als eine Generation in gleichem Familienbesitz blieb - doch mittlerweile ist der Wohlstand durch Einstellpferde ausgebrochen ;-). 
Near the chapel stands a springhouse with good water in high capacit. This is somewhat rare in Gnadenwald — hardly any of the family farms here had enough water to make them profitable enough to be passed on through generations. In the meantime the area has seen a rise in affluence through  boarding horses.

Maria Larch kenne ich schon seit längerer Zeit. Ich bin dort als Jugendlicher auf einer meiner frühen Radtouren (mehr geschoben als gefahren, auch hinunter) unterwegs gewesen und habe es quasi für mich entdeckt. In der Folge war es Ziel häufiger Ausflüge – auch mit meinen Eltern. Meinen Vater hat es besonders interessiert – davon später. Nun einige Impressionen von Maria Larch und dem Hinterland 
I have known this chapel for a long time. I first came there as a boy on one of my earlier bicycle tours (there was more pushing the bike than riding, including downhill) and the chapel was sort of my own discovery. Later it became the destination of many excursions, including some with my parents. My father took a special interest to it — more on that later. Here are a few impressions of Maria of the Larch and the surrounding area.

In den Neunzigerjahren...damals schon ein "Revisit".  Der Aufgang ist zwar nicht ganz so imposant, wie die Himmelstreppe in "Irrtum im Jenseits" - aber sie könnte der Anfang davon sein.
Sometime in the nineties… this was already a “revisit”.
The ascent may not be as imposing as the the one in “Stairway to Heaven” (the Powell/Pressburger film "A matter of  life an death" ). But they could be the beginninng of it.

Juni 2009. Der Geburtstagsausflug für meinen Vater. Und - wie mir bewusst wird - der letzte gemeinsame Ausflug als "vollzählige Familie".
June 2009. 
An excursion on my father’s birthday. It was, as I would come to learn, the last one we would take together as a complete family.

Ganz frisch - heute. Rechts sieht man das Brunnenhaus. Maria of the Larch today. The springhouse is on the right.

Blick aus dem Kapelleneingang. The view from the chapel door.   

Die Treppe von Oben. The steps from above.

Das Auge Gottes am Brunnenhaus. In diesem Zusammenhang empfehle ich übrigens das Buch "Gott sieht alles".
The “all-seeing eye of God” on the springhouse. In this context I recommend the book “Gott sieht alles. Im heiligen Land Tirol. Ein Erbauungsbuch” by Thomas Parth .
 Inn Verlängerung der Himmelstreppe nordwärts gelangt man ins Vomperloch, wo es dann so aussieht: Following the heavens stairs "straight ahead" one  would reach directly the Vomper Loch - where it looks like this:


Blick vom Weg zur Ganalm in den Abgrund des Vomper Lochs. Das Ziel des Weges für einen Unglücklichen, der von Maria Larch aus losging (siehe Geschichte unten). View form the road to the Ganalm into the abyss of the Vomper Loch - target of the unlucky one who started from Maria Larch (in the story below).

Wohin man aber auf einen recht bequemen Weg um den Berg herum (daher heißts wohl dort "Umlberg") kommt. Vor ca. 20 Jahren mit meinem Vater gegangen, heute geradelt.
…where one can find an easy path around the mountain (the name “Umlberg” means something like “ Around [the] Mountain”, and it was probably from this way of going “around” than got the mountain its name.) Walked with my father twenty years ago, today biked…   


Damit wären wir nun bei oben erwähnte Interesse meines Vaters. In seinen Unterlagen fand ich diese Datei:



GEHEIMNISVOLLE "IRRWURZEL" VON MARIA LARCH
aus: Tiroler Tageszeitung, Innsbruck, 25. Oktober 1966, Nr. 247, S. 6.



Waren Erdstrahlungen schuld an dem Dämmerzustand des Johann König von Gnadenwald?





      Zu der Studie von Dr. Dietmar Aßmann: "300 Jahre Wallfahrt in Maria Larch bei Terfens" in der "TT" vom 8. Oktober möchte ich eine Geschichte erzählen, die mir volkskundlich, naturwissenschaftlich, psychiatrisch und alpinistisch bemerkenswert erscheint.



      Das Historische von Maria Larch und die Legende schildert erschöpfend der erwähnte Aufsatz. Zum Schlusse schreibt der Verfasser: "So wie bei vielen anderen Kulturstätten dieser Art sehen wir in der engen Verbindung mit der Natur die Bitte um Schutz vor ihren Gewalten."



      Von solchen Gewalten erzählt die Sage. Der Sage nach wächst im Larchtal die Irrwurzel. Der Tiroler Sagenforscher Joahnn N. von Alpenburg schreibt darüber vor 100 Jahren: "In den Wäldern und Auen, zu Berg und Tal wächst eine Wurzel, welche die Eigenschaft besitzt, der derjenige, so auf sie tritt, tagelang irregeführt wird, just so, wie es Hexen und Schwarzkünstler verstehen, einen Menschen zu verblenden und irrezuführen." Meist irrten solche Leute die ganze Nacht lang herum und fanden sich erst am Morgen beim Betläuten wieder zurecht. Auch im Larchtal sollten sich nach der Sage bereits wiederholt Leute verirrt haben, doch wußte man nichts Bestimmtes.



      Der Innsbrucker Universitätsdozent Dr. Guido Hradil schrieb solche Vokommnisse Erdstrahlungen zu, welche, gleich den Strahlungen, die im Gasteiner Tal gemessen wurden, auch in Gnadenwald beobachtet werden können.



      Am 4. Jänner 1912 war der Gunglwirt Josef Heiß, der damals auch einen Holzhandel betrieb und dessen Gasthof am oberen Rand des Larchtales liegt mit seinen Knechten, Rossen und Schlitten damit beschäftigt, von einem Wald nächst der Kapelle Maria Larch Holz nach Gnadenwald zu führen. Sie hatten sich verspätet, weil die Pferde "fuxten", und schon brach die Dämmerung herein. Wie sie so mit hüh und hott fuhrwerkten, kam ein halbwüchsiger Bub mit seiner Rodel daher, der Hansl vom Kampflbauern in Gnadenwald. "He, wo willst du denn jetzt noch hin?" fragten die Holzer den Buben, aber er gab keine Antwort. Da kümmerten sich die Holzer auch nicht weiter um den unfreundlichen Buben und eilten heim, weil es bereits richtig zunächtete.



      Am nächsten Tag erfuhr man, daß der Bub nicht mehr nach Hause gekommen war. Eltern und Hausleute gingen auf die Suche, die Nachbarn schlossen sich an, und bald war das ganze Dorf samt der Gendarmerie auf den Beinen. Am hellen Tagfe sah man bald die Spur. Sie führte von Maria Larch mitten in den Schnee, geradeaus durch das sogenannte Sautal durch den verschneiten Wald, überquerte die Umlberger Straße, führte senkrecht den steilen und schrofigen Berghang hinauf auf das Walderjoch, überschritt beim Weithag der Walderalm die Jochhöhe und führte auf der Nordseite hinab ins Vomperloch, wo der Bub mit schlafwandle-rischem Instinkt zwischen den Felswänden der Schlucht hinabfand bis zum Vomperbach. Dabei ist ihm allerdings die Rodel zerbrochen. Am Bachufer fand man ihn erfroren auf. Schuhe und Strümpfe hatte der Bub ausgezogen. Die ganze Umgebung war in begreiflicher Aufregung, und die Leute stellten sich hundert Fragen. Warum verließ der Bub im Larchtal den gebahnten Weg und trat in den Schnee hinaus? Wenn er schneeblind gewesen wäre, warum überquerte er die Umlberger Straße ohne dies zu beachten? Warum sah er im Dunkeln nicht die Lichter des Dorfes, die er beim Aufstieg auf das Walderjoch immer unter sich hatte? Wie fand er im Finstern den Abstieg in das unwegsame Vomperloch? Man fand keine Antwort und von der Irrwurzel im Larchtal schämte man sich laut zu sprechen. In das Sterbebuch von Gnadenwald schrieb der Pfarrer: "Johann König, ledig, Bauernsohn beim Kampfl, in der Nacht vom 4. auf 5. Jänner 1912 in Geistesverwirrung verirrt und erfroren im Vomperloch aufgefunden und nach Hause überführt." In der Stadt redete man von einem epileptischen oder schizophrenen Dämmerzustand, der vielleicht von einer unbekannten Naturgewalt ausgelöst worden war.

                                                                 I.M. Metzler






Anmerkung: In der Kapelle der Ganalm (übrigens mit einem interesssanten Altarbild, auf dem das Kloster Altötting dargestellt ist) fand sich kein Steberbild von dem o.e. Buben.


Zum Abschluss dieser Text zum Thema Irrwurz, den mein Vater 1990 verfasst hat. 
Ob dieser irgendwo (z.B. in SITU) veröffentlicht wurde, kann ich nicht mehr verifizeren:



THE "IRRWURZEL"

TRADITIONAL FOLKLORISTIC INTERPRETATION OF A POSSIBLE

UNKNOWN GEOPHYSICAL PHENOMENON?



In the Tyrolean, Austrian and German folklore, there is the tradition of the so called "Irrwurzel", a mythical root, which, if stepped on, allegedly distorts the orientation of the wanderer to such an extent that he or she will become unable to find one's way even in a perfectly familiar environment. 1)



Alpenburg writing in 1857 relates that according to tradition the Irrwurzel is very frequent in the pastures below the Tratzberg castle, between Schwaz and Jenbach (30 kms east of Innsbruck), "where everybody is careful, not to walk through with bare feet" , but just how it looks - nobody knows. He also writes that "today the Irrwurzel is no longer known" (i.e. the term is not associated with a certain botanically known plant or root) because in 1803 a dying oil-trader from the Ziller-valley burnt the last specimen by order of a priest. 2) It seems that similar to the personifactions of natural forces like wind or ligthtning as gods, the Irrwurzel constitutes a sort of botanic rationalization for certain mysterious effects.


At least in the Tyrol, stories about the Irrwurzel aren't always located in a vague, hazy, undated past or associated only with unknown persons and places. The following tale, also related by Alpenburg, can be considered as typical:

One day in 1832 at three o'clock in the morning the porter Jakob Tunner from Alpbach departed from the Kupal alp in the Hinterriss with a load of 100 pounds of butter for Jenbach. After a quarter of an hour, fog fell in but the porter proceeded as he knew the way very well, having used it a "thousand times" in both directions before. He walked for hours, but he never reached the pass leading to the Inn-valley. At noon he rested and prayed, then he went on again. Finally, late in the night, he perceived a hut in the distance. It was the Kupal alp, from where he had started twenty hours before. He was so confused that he asked after the name of the alp. The herdsmen there said he must have stepped upon an Irrwurzel. 3)


NOTES AND REFERENCES

1)    In Germany the term "Irrfleck" is more popular, which means a  definite spot, a sort of haunted place so to say, where orientation is distorted.

2)    Alpenburg, Johann Nepomuk Ritter von, Mythen und Sagen Tirols,   Verlag von Meyer und Zeller, Zürich 1857, p. 409.

3)    Ibid. p. 410
below the Tratzberg castle, between Schwaz and Jenbach (30 kms east of Innsbruck)